Die EU-Kommission mißt mit dem eingeleiteten Strafverfahren gegen Polen mit zweierlei Maß. Erstmals und beispiellos wird ein Verfahren wegen einer Verletzung der EU-Verträge eingeleitet. Die Verhängung von Strafgeldern oder gar der Verlust des Stimmrechts bei Abstimmungen im EU-Ministerrat können die Konsequenzen für Polen sein. Diese Bestimmtheit mussten andere „EU-Rechtsbrecher“ niemlas spüren.

Dabei wird europäisches Recht wird ständig gebrochen:

Die im Vertrag von Maastricht definierte Defizitgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts hat Griechenland 18 Mal verletzt, Portugal 16 Mal, Frankreich 13 Mal, Großbritannien 12 Mal. Auch Deutschland hat bereits in sieben Jahren die Schuldengrenze des Vertrages verletzt.

Ferner wurde die No-Bail-Out-Regel massiv verletzt und die EZB –  selbst ein Organ der EU – verstößt mit dem Anleihekaufprogramm gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung.

Mit der weiterhin bestehenden Grenzöffnung verstößt Deutschland nicht nur gegen eigenes Recht sondern auch gegen EU-Recht. Die Dublin III Verordnung wird seit der widerrechtlichen Anordnung der Grenzöffnung durch Angela Merkel tagtäglich verletzt. Ein EU-Strafverfahren gab es jedoch nicht, von den EU-Organen gab es hierzu nicht mal Kritik.

Zwei weitere Aspekte lassen die Strafaktion zusätzlich willfährig erscheinen:
1) Der Verstoß der polnischen Regierung hat rein innerstaatliche, auf Polen beschränkte Folgen, die oben angeführten Rechtsverletzungen der Merkel-Regierung und EZB führen zu EU-weiten Konsequenzen und Belastungen.

2) Die EU-Kommission sieht die Unabhängigkeit der polnischen Justiz in Gefahr, aber wie ist die Situation in Deutschland?
Der Justizminister ist oberster Dienstherr aller Richter und Staatsanwälte. Gegenüber den Staatsanwälten ist er gar weisungsbefugt, eine Unabhängigkeit ist hier nicht einmal vorgesehen. Die im Grundgesetz niedergeschriebene Unabhängigkeit der Richtern ist Theorie. Die Politik bestimmt über Beförderungen und großteils auch über die Besetzung. Explizite Parteibuch-Auswahl ist beim höchsten Gericht, dem Bundesverfassungsgericht, Normalzustand.

Wenn nun der EU-Vize-Kommissionspräsident die Entscheidung „schweren Herzens“ verkündet und fortführt, dass die Kommission als „Hüterin der Verträge“ einschreiten müsse, so ist das lediglich armselige Heuchelei zu bezeichnen und erinnert doch eher an „Den Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen.“

 

Werner Meier
Sprecher des Bundesfachausschuss „Demokratie und Europa“
werner.meier@afdbayern.de