Die Wähler, die CDU und Angela Merkel. Ein Essay von Dr. Vilmos Holczhauser.

Auf den Wähler ist kein Verlass. Seine Meinung ändert sich rasant. Man kommt kaum mit.

Nach den Terroranschlägen in Paris berichtete Forsa über „Enorme Zugewinne für Merkel und die Union“. Die Terrorgefahr lasse die Deutschen zur Union rücken. Ihr Rückhalt im Wählergunst stieg um drei Prozentpunkte. Die SPD verliert einen Punkt und komme nur noch auf 24 Prozent. Die Grünen, die Linke und die FDP bleiben stabil, jeweils bei ihrem 10, 9 und 5 Prozent.

Die „gute Nachricht“: Die AfD verlor ein Prozent und kam auf 7.

Letzte Woche kaum eine Änderung. Die Altparteien hielten sich auf dem Niveau der Vorwoche. Allerdings hat die enorme Begeisterung für Merkel und die Union nachgelassen.

Die „gute Nachricht“: Die AfD bleibt weiterhin im Abwärtstrend, sie verlor einen weiteren Punkt und kommt auf 6 Prozent.

Diese Woche kehrte die Normalität zurück. Union und FDP verlieren jeweils ein Prozent.

Die „schlechte Nachricht“: die AfD gewinnt zwei. Sie kommt Bundesweit auf acht, in Bayern auf zehn und in Ostdeutschland auf sechzehn Prozent!

Das verheißt nichts Gutes für den kommenden Parteitag der CDU in Karlsruhe. Die Welt überschreibt ihren Bericht mit der Schlagzeile „Das Unbehagen gegen den Islam ist überall greifbar“.

Da wurde vorsorglich eine Leitentscheidung getroffen: Keine Konzessionen an die Kritiker der Kanzlerin. Das ist kein Maulkorb, nur eine Durchhalteparole der Partei, die tief verunsichert ist aber (noch) zu ihrem Vorsitzenden steht.

Unter den Kritikern wird Armin Schuster, der Innenexperte aus Baden-Württemberg erwähnt. Er hat der Aussagen Merkels und anderer Spitzenpolitiker, Deutschland könne seine Grenzen nicht kontrollieren (es sei denn, mit Mauern und Stacheldraht) als unsinnig und gefährlich entlarvt.

Dann die Junge Union. Sie fordert die ominöse „Obergrenze“. Die Seniorenunion fordert von allen Zuwanderern einen „Schwur“ auf das Grundgesetz, sie will auch die Nationalhymne in die Verfassung aufnehmen. Der Kreisverband Köln fordert, anstelle des Wortes „Land“ von „Vaterland“ zu sprechen und grenzt so diejenigen, deren Väter hier geboren wurden, von jenen ab, die von anderswo kommen.

Wildern AfD und Pegida in der CDU-Basis?

Bemerkenswert auch die an die Öffentlichkeit gerichtete Botschaft. Julia Klöckner, CDU-Parteivize, bekennt sich bei Meischberger zu Merkel. Das Motto „Wir schaffen das“ ist auch für sie absolut logisch und richtig und Ausdruck von Merkels Pragmatismus.

Wichtiger sei jedoch, dass man das erste Mal sehe, dass Merkel für etwas stehe.

Wir warten seit Langem auf diese Nachricht! Daß Merkel—außer dem blanken Machterhalt—für etwas steht. Trotzdem ist es ein etwas eigenartiges Bekenntnis. Ist es eine Loyalitätserklärung, oder eher ein Dolchstoß in den Rücken?

Bemerkenswert auch: Die Kanzlerin scheint in dieser schwierigen Zeit der Liebling der Grünen zu werden. Vor ein paar Jahren hätte man noch gesagt, sie bekomme Beifall aus der falschen Ecke.

Vor kurzem hat ihr Grünenchef Cem Özdemir „politisches Asyl“ angeboten. Winfried Kretschmann (Ministerpräsident von Baden-Württemberg), lobt sie als einen „unglaublichen Stabilitätsfaktor in Europa“. Und jetzt kommt noch Jürgen Trittin, „sonst kein Freund der Kanzlerin“, und lobt sie wegen ihrer Bereitschaft „das Land neu aufzustellen“.

Ist Trittin gelungen, präzise umzuschreiben, wofür Merkel steht? Was heißt das, das Land neu aufstellen? Etwa eine andere Republik?

Warten wir ab, ob die Basis der Union dies hinnimmt.

Bild: cc-by metropolico.org